Warum die Bereitschaft, öffentliche Güter mitzufinanzieren, ein Indikator wird
Anfang 2019 konnten die Leser von einigen Medien eine überraschende Meldung der dpa lesen: Die Deutschen, so hieß es dort, haben im weltweiten Vergleich eine hohe Bereitschaft, Steuern zu bezahlen. Die vom Basel Institute of Commons and Economics in der Finanzierungskommission der Vereinten Nationen veröffentlichten ersten Ergebnisse des World Social Capital Monitor zeigten in der Tat, dass im internationalen Vergleich Deutschland im Wortsinne ein Steuerparadies ist. (siehe Bild in der FAZ)
Nachdem es bisher sowohl die EU als auch die Bundesregierung ablehnten, die Bereitschaft zum Mitfinanzieren öffentlicher Güter als Indikator anzuerkennen – EU Steuerkommissar Pierre Moscovici lehnte 2017 den Indikator mit der Begründung ab, er könne Staaten auf den Gedanken bringen, diese Bereitschaft und damit die Steuern zu erhöhen – sind die UN-Nachhaltigkeitsziele und die Tax Commission der UN derzeit die einzigen Institutionen, die den neuen Indikator zulassen.
Das ist erstaunlich, denn gerade die EU und die Bundesregierung möchten ja ihre Steuereinnahmen ständig erhöhen und begründen dies mit steigenden Sozial, Umwelt- und Verteidigungsausgaben. Mit einem Jahresbudget von 175 Milliarden Dollar ist die EU zudem die weltgrößte IGO (Intra Governmental Organization) und verfügt über das Vierfache des Budgets der gesamten UN.
Es ist zu hoffen, dass sich diese Einstellung 2019 ändert und im Deutschen Sozialklimamonitor erstmals für alle deutschen Bundesländer und Städte nach sozialen Gütern, von denen das gesamte Gemeinwesen abhängt, gefragt werden darf: https://trustyourplace.com.
Nachdem über 170 Medien die dpa-Meldung mit unterschiedlichsten Überschriften übertnommen haben, erschienen auch eine Reihe von Kommentaren, die wiederum – so in der Welt – selbst kommentiert werden durften.
Beginnen wir mit der Kritik an der Studie und ihrem Ergebnis: Nachdem der Spiegel, der noch immer als Deutschlands Leitmedium gilt, titelte ‚Deutsche zahlen ganz gerne Steuern‘, kritisierte die Welt-Kommentatorin Andrea Seibel diese Interpretation und rief ihre Landsleute auf: ‚Deutsche, zeigt Mut, seid keine Steuerlämmer!‘.
Die 365 Kommentare zeigen, dass zumindest gutverdienende Männer etwas höheren Alters diesem Aufruf folgen und ihrem Ärger Ausdruck geben, die Steuern seien ohnehin zu hoch und würden falsch ausgegeben. Unsere Frage war allerdings nicht, ob jemand persönlich gerne Steuern zahlt – ‚Zeige mir einen‘ stichelt Andrea Seibel – sondern, wie der Befragte die allgemeine Bereitschaft in seiner Umgebung bewertet, Steuern zu bezahlen. Eine Perzeptionsfrage also.
Allerdings kritisierte Andrea Seibel auch, die Ergebnisse seien nicht repräsentativ. Nun, Frau Seibel, eine anonyme Umfrage in 45 Sprachen und 141 Ländern kann nicht repräsentativ sein. Es gibt zu unserer Art des Fragens einen englischen Methodologiereport, den man sich hier zu Gemüte führen kann.
Verkürzt gesagt, geschieht Folgendes: Unsere Frage, wie man den Zustand von derzeit acht sozialen Gütern bewertet, richtet sich an den Soziologen im Befragten, als der er (oder sie) von uns angesehen wird. Wir haben durch zahlreiche Tests festgestellt, dass Bürger sehr gut ihre sozialen Güter beurteilen können – und dabei keinen Grund haben, diese durch subjektive Erlebnisse und Ansichten auf- und abzuwerten.
So haben etwa aufgrund der Berichte am 3.1.2019 wiederum Befragte anonym Deutschland bewertet. Eine Dame aus dem bayerischen Erbach, die auch qualitativ aktiv war, ‚ (Mich kotzt die hetzjagt gegen die deutsche Autobranche an), vergab eine ‚1‘, also den niedrigsten Wert. Das ist in Deutschland völlig unrealistisch und ist die erste überhaupt vergebene ‚1‘ . Sie setzte ihren eigenen Ärger als Bewertung der Gemeinschaft.
Ein solches Protestvotum gibt es durchaus. Da aber am 3.1. 2019 auch ein Teilnehmer aus dem Münchner Vorort Ottobrunn die Steuerbereitschaft mit 9 bewertete, Teilnehmer aus Witten und Bonn mit 8, lag der Schnitt am 3. Januar sogar leicht über 7. ‚Das sind wohl die, die keine Steuern zahlen‘, vermutet Andrea Seibel in der Welt.
Es fällt uns offen gestanden schwer, Journalisten und Mitarbeitern von Verwaltungen und Organisationen zu erklären, wie Validität entsteht und wie sie ausgewiesen wird. Die meisten glauben einfach, die Zahl von 1003 Befragten, die ‚repräsentativ‘ ausgewählt wurden, spräche für die Richtigkeit und Wahrheit der Ergebnisse.
Dabei würde ja gerade im Falle dieses Indikators die Wut der Kritiker noch steigen, wenn sie hören müßten, dass eine große Mehrheit von Deutschen die Bereitschaft zur Finanzierung öffentlicher Güter durch Steuern in Deutschland für hoch hält.
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admin am Januar 5th 2019 in Allgemein